Tausende Views sind noch lange kein Erfolg

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Tausende Views sind noch lange kein Erfolg

12. März agvs-upsa.ch – Die Nutzung der sozialen Medien, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, ist in aller Munde. Aber worauf sollte man achten, wenn man den Sprung in die Tiktok-Welt wagen will? Drei Experten der mBusiness GmbH in Schlieren ZH geben Auskunft. Dank ihrer Strategie landeten nicht nur mehr, sondern auch qualitativ hochwertigere Bewerbungsdossiers auf dem Tisch von Alex Ernst, dem Geschäftsführer des MB Auto-Center in Ibach SZ. Cynthia Mira


Für die Tätigkeiten der Mitarbeitenden wird jeweils im Video gedankt. So auch Kerim Akyüz, der für seine Auftritte bereits im Ausgang von seinen Fans angesprochen wird. Er ist in der Firma als Lernender Carrosserie­lackierer EFZ tätig. Fotos: mBusiness

Eingekaufte Follower aus Indien, Ads-Schaltungen, Copy-Paste-Ideen mit Schauspielerinnen, die Mitarbeitende spielen – die Liste der Warnzeichen innerhalb einer Beratung für Videokampagnen auf Tiktok, die zwar Tausende Views generieren, aber weder die Zielgruppe noch die Firmenziele erreichen, ist lang. «Besonders stutzig machen sollten konkrete Zahlen bezüglich der Reichweite und Zeithorizonte», sagt Judith Bähler, Strategieberaterin und Social-Media-Expertin bei der mBusiness GmbH in Schlieren. Denn solche konkreten Erfolgsversprechen könne man im Vorfeld gar nicht geben. Sie teilt in Seminaren genau solches Know-how. Geplant ist nun eine zeitnahe Zusammenarbeit mit der AGVS Business Academy, damit Garagen das Potenzial von Tiktok besser nutzen können. Die Idee ist es, dass die Teilnehmenden nach ihrem Kurs auch fähig sind, Tiktok-Videos kostengünstig und unkompliziert mit dem Smartphone zu produzieren.

«Tiktok hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber Instagram: Es ist noch möglich, organisch zu wachsen, sprich, aus eigener Kraft und ohne Werbung», sagt Mischa Birnstiel, Inhaber der mBusiness GmbH. Eine ähnliche Reichweite könne auf anderen Kanälen ohne kostenpflichtige Ads mit immensem Streuverlust kaum mehr erreicht werden. Zudem sei das Potenzial auch groß, weil erst wenige Autohäuser einen Tiktok-Kanal pflegen. Insgesamt analysiert die Agentur die Daten von 1559 Accounts von Schweizer Unternehmen auf Tiktok. Davon sind 45 Konten aus dem Autogewerbe, 29 davon wurden erst 2023 hinzugefügt.

Judith Bähler veranschaulicht den Nutzen mit weiteren positiven Aspekten: «Man erhöht die Sichtbarkeit. Zudem kann sich das Unternehmen als Arbeitgeber positionieren und erreicht auch Personen, die nur passiv auf Stellensuche sind. Potenzielle Bewerberinnen und Bewerber sehen weiter nicht nur ein Standardschreiben, sondern bekommen auch unbewusst ein Gefühl für die Firma, den Arbeitsplatz und den Teamspirit, und das wirkt.»

Die Strategieberaterin rät entschieden davon ab, das Ämtchen einem Lernenden zu übergeben. «Nur weil man ein bisschen Kochen kann, eröffnet man ja auch nicht ein Restaurant», so Bähler. «Die Jungen tummeln sich auf den Kanälen, aber sie sind keine Fachpersonen.» Diese Tatsache könne sich rasch negativ auf das Firmenimage auswirken, schon nur dann, wenn man das Tragen von Schutzkleidung bei einem Videodreh missachte. «Man präsentiert die Firma nach außen, der Kanal ist der digitale Showroom», sagt sie. Zudem sei auch von Fail-Videos, die zwar gut laufen würden, abzuraten. «Was ist die Botschaft, wenn das Dach eines teuren Autos als Flaschenöffner benutzt wird?» Das alles seien Beispiele für Videos mit dem Potenzial, viral zu gehen, aber langfristig mit der Gefahr, dem Unternehmen zu schaden. Es sei keine gute Idee, ohne Strategie und definiertes Ziel planlos Videos zu produzieren.


«Eine gute Kampagne auf Tiktok kommt eher einer guten Netflix­-Serie gleich», sagt Judith Bähler, Strategieberaterin und Tiktok­Expertin bei mBusiness GmbH. Gemeinsam mit Inhaber Mischa Birnstiel und Leon Djelmo, Content Creator, sorgt sie für einen nachhaltigen Auftritt auf Tiktok.

«Tiktok lebt vom Austausch mit der Community. Man sendet nicht nur Inhalte, sondern geht in den künstlerischen Austausch», ergänzt Leon Djelmo, Content Creator bei der mBusiness GmbH. Deshalb reagiere man am besten auch auf Kommentare und nehme so die Trends auf. Tiktok habe sich gemausert und werde dem Image einer Plattform für einfache Tanzvideos von Minderjährigen schon lange nicht mehr gerecht. «Die Altersgruppe verschiebt sich weiterhin nach oben, schon nur deshalb, weil auch die Eltern der Jugendlichen die App nutzen, um zu sehen, was dort läuft. Und die Jungen nutzen Tiktok bereits wie eine Suchmaschine.» Das sei eine Chance, um mit Begriffen zum Thema Auto sichtbar zu werden. Wenn man keinen Kanal pflege, könne man auch die Kontrolle verlieren. Man wisse dann nicht einmal, was andere zum eigenen Unternehmen posten.

«Nur mit einer Strategie und einem Verständnis für die Plattform generiert man ein nachhaltiges Wachstum», sind Birnstiel und sein Team überzeugt. «Was bringen beispielsweise Videos auf Hochdeutsch, wenn man als Zielgruppe die Kunden in der Region definiert hat? Die Quote für funktionierende Videos liegt viel tiefer als man meint. Wir sind zufrieden, wenn fünf bis zehn Prozent der Views zu Likes werden. Dann hat das Video funktioniert.»
 
Das sagt Alex Ernst, Initiator des Tiktok-Kanals
 



Alex Ernst, Geschäftsführer MB Auto­Center Benno Müller. Foto: mbautocenter


Alex Ernst ist seit Januar Geschäftsführer des Auto­Center Benno Müller, das zur MB Auto­Center Gruppe gehört. Er war der Initiator des Tiktok­Kanals für das MB Auto­Center, als er noch in seiner Funktion als Leiter Verkauf in Zug tätig war. Er hat vieles versucht, um die offenen Stellen im Betrieb zu besetzen. Die sozialen Medien haben ihm nun neue Türen geöffnet.

Herr Ernst, würden Sie den Schritt in die Tiktok-Welt wieder machen? Empfehlen Sie diese Investition Ihren Kollegen im Autogewerbe weiter?
Alex Ernst: Absolut! Zeiten, in denen es aus­reichend war, ein Stelleninserat zu publizieren und auf Bewerbungen zu warten, sind meines Erachtens vorbei. Wichtig ist aber, dass die erstellten Inhalte authentisch sind und zur Zielgruppe sowie natürlich zur Plattform Tiktok passen.

Haben Sie ein Beispiel für eine schöne Rückmeldung, die Sie seit dem Auftritt auf Tiktok erhalten haben?
Rückmeldungen gab es viele, im privaten wie auch geschäftlichen Umfeld. Das schönste Feedback war aber die Dankbarkeit der Angestellten, welche tagtäglich einen top Job hinter den Kulissen machen. Diesen Menschen konnten wir eine wertschätzende Plattform geben.

Spürten Sie eine Verbesserung bezüglich der Bewerbungen?
Der Erfolg der mit mBusiness gestarteten Kampagne hat selbst unsere optimistischsten Erwartungen übertroffen. Die Zugriffszahlen auf unsere Website mit den Stelleninseraten ist nach dem Start im Mai 2022 um sagenhafte 240 Prozent angestiegen. Wir konnten folglich inner­ halb weniger Monate alle zu dieser Zeit offenen Stellen besetzen.
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