Sein Nebenberuf: Bestatter

Rigi-Garage Kenel GmbH

Sein Nebenberuf: Bestatter

26. Juli 2021 agvs-upsa.ch – René Kenel führt in Arth SZ als Automechaniker und Bestatter zwei Familienunternehmen gleichzeitig. Den AGVS-Garagisten beschäftigt dabei einerseits der Wandel in der Autobranche und andererseits, wie er den Verstorbenen einen würdevollen Abschied ermöglichen kann. 

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Zwei verschiedene Welten, ein Geschäftsführer: René Kenel ist Automechaniker und Bestatter zugleich. Fotos: AGVS-Medien

mig. Zwei total unterschiedliche Berufe, die trotzdem dieselbe Eigenschaft voraussetzen: Sowohl in der Autowerkstatt als auch als Bestatter benötigt René Kenel Feingefühl. Von ihm als Inhaber der Rigi-Garage Kenel wird das notwendige Handwerksgeschick verlangt, um einen Defekt am Fahrzeug zu reparieren. «Den Schaden reparieren und dem Kunden anschliessend erklären, was behoben wurde – das ist meine Leidenschaft», sagt der 51-Jährige, der für Arth SZ und sechs umliegende Gemeinden auch noch als Bestatter tätig ist. In dieser Rolle begleitet er die Trauernden mit dem nötigen Mitgefühl. «Es geht darum, den Angehörigen so viel Arbeit wie nur möglich abzunehmen und den Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen.» 
 
Ein aussergewöhnliches Zweifachengagement, das einen Blick in die Vergangenheit verdient: Die allerersten Autos, die auf den Strassen in Arth unterwegs waren, reparierte die Familie Kenel noch in der von ihr betriebenen Schmiede. Das Hauptgeschäft machten dazumal die Fuhrwerke und das Beschlagen der Pferdehufe aus. Im Jahr 1927 wurde dann die Garage inklusive eigener Shell-Tankstelle in Betrieb genommen. Heute hat mit René Kenel die vierte Generation das Ruder übernommen. Er absolvierte im Familienbetrieb eine Lehre als Automonteur und Automechaniker und fasste nicht nur Tritt in der Automobilbranche, sondern wurde von seinem Vater auch ins Bestattungswesen eingeführt. Nach anfänglichen Berührungsängsten half er schon als 15-Jähriger bei den Vorbereitungsarbeiten mit. «Um mein Töffli aufzumotzen, brauchte ich Geld», erklärt er seinen Sinneswandel. Drei Jahre später und mit dem Erhalt des Fahrausweises transportierte er zum ersten Mal selbst einen Verstorbenen – nicht wie sein Urgrossvater zu seiner Zeit mit Pferd und Wagen, sondern in einem Ford LTD. 

Als René Kenels Vater 1993 verstarb, führte zunächst seine Mutter den Bestattungsdienst und die Garage als damalige Peugeot-Vertretung weiter. Die Verantwortung übernahm René Kenel just ab jenem Zeitpunkt, als der französische Autohersteller kontinuierlich mehr Anforderungen an seine Garagisten stellte. «Wir konnten weder die geforderten Verkaufszahlen, noch die Auflagen an einen Showroom erfüllen», sagt René Kenel. Die Degradierung zur Servicestelle war die Folge, aber selbst für diesen Status sind die Ansprüche in den letzten Jahren gewachsen. «Ich hätte immer mehr Kurse besuchen müssen – vom Peugeot-Techniker zum -Diagnostiker und und und. Das hätte mich gegen 20'000 Franken gekostet.» Anstatt auf das finanzielle Nullsummenspiel einzugehen, wurde daher das Verhältnis mit den Franzosen im Mai 2019 gekündigt. 

Jetzt ist es René Kenel wohler. Er hat sich für das Werkstattkonzept Le Garage der ESA entschieden und bietet Reparaturen und Service aller Marken an. Aktuell beschäftigt er einen Werkstattmitarbeiter und Interessenten für die Lehre Automobil-Fachmann/-frau EFZ Fachrichtung «Personenwagen» dürfen sich gerne bei ihm melden. «Wir geben Jugendlichen seit jeher eine Chance. Wir wollen Fachpersonen für unser Gewerbe ausbilden», so Kenel. Wichtig sei, sich Zeit für die Lernenden zu nehmen, damit sie den Anschluss in der Schule halten. Auch Kenel selbst eignet sich regelmässig neues Wissen an und hat Weiterbildungen in den Bereichen Klimaprüfung und Hochvoltsysteme für Hybridfahrzeuge erfolgreich abgeschlossen.

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Werden der Garagen- sowie der Bestattungsbetrieb einst von René Kenels Kindern übernommen? Ihm sei das nicht wichtig, versichert er.

Obwohl er die Diskussionen rund um alternative Antriebe verfolgt und als sinnvoll bezeichnet, behagen dem AGVS-Garagisten die Veränderung nicht. «Meine Kunden äussern Bedenken, die E-Mobilität sei noch nicht ausgereift. Sie fragen sich, wie und wo sie den Strom beziehen sollen.» Dass die Mehrheit der Kundschaft von René Kenel ältere Benziner fährt, kommt ihm daher gelegen. «Ich bin ein Mechaniker der alten Schule, der sich gerne mit Einspritzern und Vergasern statt mit Sensoren und Schaltplänen von Fremdmarken auseinandersetzt.» Aus diesem Grund hat er sich auch auf Oldtimer spezialisiert und erst kürzlich einen alten Dodge von Grund auf restauriert. 

Lieber Abstand nimmt der Garagist und Segelboot-Besitzer auch von der Finanzbuchhaltung, weshalb ihn seine Mutter und eine Mitarbeiterin im Büro und am Empfang unterstützen. Sinnvoll ist diese zusätzliche Arbeitskraft auch mit Blick auf das Bestattungsunternehmen, denn dessen Eingangsbereich ist derselbe wie derjenige der Garage. Die Hinterbliebenen werden jeweils im Vorfeld des Gesprächs telefonisch darüber informiert, dass sie an der Zugerstrasse 17 trotz unübersehbarem Shell-Logo an der richtigen Adresse sind. Empfangen werden sie dann in einem Besprechungszimmer, das dank den Auflagen von Peugeot entstanden ist. «Wir haben aufgrund der Vorgaben für den Empfangsbereich einen Teil der Werkstatt verkleinert. Ohne den Doppelnutzen fürs Bestattungsunternehmen hätten wir das nicht auf uns genommen», erklärt Kenel. So kommt es vor, dass er von der Werkstatt kommend direkt an einem Trauergespräch Platz nimmt. In diesem Moment ist kein adrettes Auftreten, sondern Mitgefühl gefragt. Trauernde müssen zum Beispiel über verschiedene Vorschriften wie die Totenruhe aufgeklärt werden. Der früheste Zeitpunkt der Kremation nach Eintritt des Todes ist in den meisten Kantonen auf 48 Stunden festgesetzt.

«Das Leben ist ein Geschenk – ein liebevoller Abschied auch», lautet das Leitbild des Bestattungsunternehmens. Angeboten werden alle Dienstleistungen: vom Trauergespräch über das Einsargen, den Urnenrücktransport, das Einkleiden des Verstorbenen bis hin zur Organisation von Trauerkarten und Blumenschmuck. «Alles diskret, pietät- und respektvoll», so Kenel. Er richtet die Verstorbenen meistens vor Ort her, wäscht, schminkt und kleidet sie ein. Auch allfällige Wunden werden verdeckt. 
 
Garage und Bestattungsunternehmen sind seit 2009 in je eine GmbH aufgeteilt. Alle, die beim Bestattungsunternehmen mitwirken, sind im Stundenlohn angestellt – selbst René Kenel, der stets auf Pikett ist. «Ruft mich die Polizei, habe ich innerhalb von 30 bis 40 Minuten beim Leichnam zu sein.» Da bleibt in der Werkstatt der letzte am Fahrzeug anzubringende Sommerreifen schon einmal liegen. Infolge der Corona-Pandemie stieg die Arbeit für den Bestatter nicht an. Der 51-Jährige berichtet von 20 Todesfällen mit Covid-19. Mehr zu tun hatte er im vergangenen Jahr nach wie vor in der Garage. «Sie ist meine Haupteinnahmequelle und selbsttragend. Leider lässt die Auslastung anfangs 2021 nun zu wünschen übrig.»
 
Mit Arbeit eingedeckt hat sich René Kenel Ende 2020 gleich selbst. Sein Peugeot Expert in der Langversion hatte nach 25 Jahren als Bestatterfahrzeug ausgedient. Der Nachfolger, ein Peugeot Traveller 4x4, musste zuerst umgebaut werden. «Wir haben noch nie ein Transportfahrzeug ab der Stange gekauft. Es hat Tradition, dass wir beim Innenausbau das lokale Gewerbe berücksichtigen», so Kenel. Die Schreinerei aus Küssnacht SZ zeichnet sich für die Seitenverkleidung aus Holz und die Trennwand zum Fahrer verantwortlich und die Metallbauschlosserei aus ­Goldau SZ hat den Chromstahl-Boden verlegt. Der Einbezug der Region ist der Familie Kenel wichtig, weil man sich so gegenseitig etwas zurückgebe. Auch die Urnen, die mit den Särgen in einem Raum unterhalb der Garage aufbewahrt sind, werden von lokalen Behindertenwerkstätten bezogen. Gesegnet wurde das Fahrzeug übrigens im Februar vom Pfarrer der Pfarrkirche Arth. 

Ist René Kenel als Garagist und Bestatter mittlerweile eine der bekanntesten Persönlichkeiten im Dorf? «Wer meinen Namen nicht kennt, der kennt zumindest die Garage mit der Shell-Tankstelle an der Hauptstrasse», entgegnet der AGVS-Garagist. Um nicht in Vergessenheit zu geraten, inseriert er zudem in der Lokalzeitung Rigi Post und steigert seine Onlinepräsenz. Nebst einer neuen Webseite werden das Google-Ranking und der Social-Media-Auftritt laufend optimiert. Seit vier Jahren erinnert er seine Kundschaft zudem aktiv per Briefpost daran, dass der Service fällig ist. «Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht, weil sich die Kundentermine dadurch besser staffeln lassen.» 

Möglichst zahlreich sollen die Kunden dann zur 100-Jahr-Feier im Jahr 2027 erscheinen. Geplant ist noch nichts, aber René Kenel schwebt ein gemütlicher Tag der offenen Tür mit Wurst vom Grill vor. Ob der Familienbetrieb übrigens dereinst von der fünften Generation geführt wird, ist ihm nicht wichtig. «Meine Kinder sollen den Beruf ausüben, der ihnen Spass bereitet.» Seine beiden Töchter haben sich als Coiffeuse und Malerin für andere Branchen entschieden und sein Sohn ist erst im Oberstufenalter. Zumindest zeigt die Tendenz bei ihm Richtung Autoberuf. Eine Schnupperlehre habe seine Freude an lauten Motoren bestätigt. Und das Feingefühl dürfte ihm in die Wiege gelegt worden sein. 

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In der Werkstatt wartet ein Volvo 740 auf den Service und ein Stockwerk tiefer sind Särge in unterschiedlichen Grössen gelagert. Fotos: AGVS-Medien
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