Der Händler eignet sich nicht als Sündenbock

Elektromobilität

Der Händler eignet sich nicht als Sündenbock

3. April 2019 agvs-upsa.ch – Die Tamedia-Zeitungen haben am Dienstag eine Studie der Universität St. Gallen veröffentlicht. Demnach stellen die Händler eine Barriere beim Verkauf von Elektroautos dar und sind schuld, dass die Elektromobilität in der Schweiz nicht in Fahrt kommt. Ein Blick auf die Studie wirft jedoch Fragen auf.

kro. Die Fakten: Das Institut für Wirtschaft und Ökologie der Universität St. Gallen liess im Dezember 2018 über ein Meinungsforschungsinstitut im Rahmen einer repräsentativen Auswahl 553 Autokäufer befragen, ob ihnen bei ihrem letzten Besuch vom Händler aktiv ein Elektromobil angeboten worden sei. Resultat: 5,3 Prozent gaben an, dass das der Fall gewesen sei. Weitere 4,3 Prozent konnten sich nicht mehr daran erinnern und 90,3 Prozent erklärten, ihnen sei kein Elektroauto angeboten worden.

Die Medien: Im aktuell aufgeheizten Klima rund ums Klima und auf der Suche nach einem Primeur nahmen die Tamedia-Zeitungen rund um den «Tages-Anzeiger» die Studie auf. Sie zeige «Erschreckendes», wird geschrieben. Zwar wolle die Autobranche den Absatz von E-Autos kräftig steigern, um die verschärften Klimaziele zu erreichen, für die einzelnen Händler sei der Verkauf von Benzinern jedoch viel attraktiver, heisst es in der Printausgabe des «Tages-Anzeigers» vom Dienstag. 

Dabei komme den Garagisten bei der Umsetzung der Ziele der Autobranche – bis 2020 soll jeder zehnte verkaufte Neuwagen in der Schweiz ein Steckerfahrzeug sein – «eine gewichtige Rolle» zu. Sie seien es, die der Kundschaft E-Autos schmackhaft machen könnten, heisst es weiter. «Doch das tun sie kaum, wie eine neue Untersuchung der Universität St. Gallen zeigt.» 

Die Gründe sind schnell gefunden: Die Gewinnmarge beim Verkauf eines Elektroautos seien tendenziell tiefer. Der Preisrückgang mindere die Marge, sagt ein nicht namentlich genannter Garagist gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Diese liege beispielsweise bei einem Peugeot iOn nur noch bei etwa 1000 Franken – ein x-Faches weniger als bei einem herkömmlichen Modell, so der Garagist. 

Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung der Händler sind laut «Tagi» die Mindereinnahmen «bei klassischen Verschleissteilen wie Auspuff oder Kupplung». Zudem erfordere der Verkauf eines Elektroautos – wie bei jedem neuen Produkt – mehr Beratungszeit. «Die Händler könnten also in der gleichen Zeit mehr als ein konventionelles Auto verkaufen.» 

Laut Professor Rolf Wüstenhagen von der Universität St. Gallen spielen auch «kulturelle Faktoren» eine Rolle. «Eine immer noch weit verbreitete Wahrnehmung innerhalb der Branche ist, dass man Elektroautos anbietet, weil man von der Politik gezwungen wird», sagt er gegenüber der Zeitung. Als Konsequenz daraus würden etablierte Händler die elektrischen Modelle teilweise mit weniger Überzeugung anpreisen. 

Die Politik: Solche Informationen sind Wasser auf die Mühlen derjenigen, die politisch aktuell im Aufwind sind. «Die Branche treibt den nötigen Wandel hin zu einer Elektrifizierung des Verkehrs nicht genügend voran», sagt Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen und Präsident des Schweizerischen Elektromobilitätsverbandes Swiss eMobility gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Für umso dringlicher hält der GLP-Chef nun eine strenge Umsetzung des verschärften Klimaziels. 

Dem widerspricht Swiss-eMobility-Geschäftsführer Jörg Beckmann in einem Interview mit «Radio 1». Es sei zwar in der Vergangenheit für die Händler nicht einfach gewesen, E-Autos zu verkaufen. «Vorausblickend wird sich in den nächsten Jahren aber einiges tun», verspricht er.

Wie es wirklich ist: Einzige Kriterien, wonach die im Rahmen der Studie befragten Personen ausgesucht worden sind: Sie mussten zwischen 20 und 70 Jahre alt sein und zu ihrem Haushalt muss mindestens ein Auto gehören. Die Fragestellung der Untersuchung lautete: «Hat Ihnen der Händler während Ihrem letzten Besuch ein E-Auto angeboten?» Befragt wurden alle Autokäufer – egal ob sie an Elektroautos interessiert waren oder nicht. Von denjenigen, die den Kauf eines E-Autos in Betracht zogen, wurde jedem Siebten eines angeboten, wie die Studie zeigt.

Der Zeitraum des letzten Kaufs beziehungsweise Besuchs spielte keine Rolle. Das bestätigt Jana Plananska, Mitautorin der Studie, gegenüber den AGVS-Medien. Das ist eine Schwäche der Studie: Denn theoretisch kann der Autokauf auch zehn Jahre oder mehr zurückliegen, als noch niemand von Elektromobilität sprach. Da sie explizit nach dem letzten Autokauf fragten, sei es eher unwahrscheinlich, dass die Befragten die Frage im Hinblick auf einen sehr lange zurückliegenden Kauf beantwortet haben, so die Theorie der Studienmacher. Nun gilt der Autokauf als zweitgrösste Investition nach Immobilien. Die Erinnerung an die Entscheidfindung dürfte also auch ein paar Jahre später noch nicht verblasst sein. 

Erschwerend kommt hinzu, dass ein Grossteil der Händler noch über kein oder nur ein sehr eingeschränktes Angebot an elektrifizierten Modellen verfügt. Längst nicht alle Hersteller führen E-Autos in ihrem Sortiment. Dies soll sich künftig ändern: Viele Hersteller haben Modelle angekündigt. Auch berücksichtigt die Studie keine weiteren alternativen Antriebsmodelle wie CNG oder Wasserstoff/Brennzellen.

Im «Tages-Anzeiger» wird Rolf Wüstenhagen mit folgenden Worten zitiert: «Die Schweizer Autobranche muss noch ein paar Hausaufgaben lösen». Dass sich der Garagist schlecht als Sündenbock eignet und wie sehr er bereits daran ist, sich als nachhaltig denkender Mobilitätspartner zu positionieren, zeigen die soeben von Auto-Schweiz publizierten März-Zahlen: 2019 wurden im ersten Quartal mit 3023 Stück mehr als doppelt so viele E-Autos verkauft wie im gleichen Zeitraum 2018.

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